Interview mit Gründer Kilian Wiget
«Als Kind wollte ich Bauer werden, später war ich professioneller Snowboarder und habe trotzdem auf der Autobahn Leitplanken montiert.» Im 12-Fragen-Interview erzählt Kilian Wiget vom wegweisenden Treffen, seiner Überzeugung und einer schwierigen Entscheidung, die zu WE ARE ZRCL geführt haben.
KILIAN, TRÄGST DU EIGENTLICH IMMER DEINE EIGENEN KLEIDER?
So weit wie möglich schon, ja. Nur bei Hosen oder funktionalen Sportkleidern geht das nicht, weil wir die nicht im Sortiment haben. Bei den Stücken aus unserem eigenen Haus beschränke ich mich vorwiegend auf Retouren oder Stücke aus den Musterkollektionen. So kann ich auch testen, wie lange die Sachen halten und die Drucke frisch bleiben. Ich habe immer noch T-Shirts aus der ersten Kollektion, insofern bin ich sehr zufrieden.
WELCHES TEIL IST DENN BISHER DEIN ABSOLUTER LIEBLING?
Das Basic Herren T-Shirt in allen Farben begleitet mich, seit ich WE ARE ZRCL gegründet habe. Und dann ist da natürlich die Herren Bowler Jacket aus der SWISS EDITION. Ich trage sie fast jeden Tag und finde die Qualität und den Schnitt einfach grossartig. Die Strickjacke sorgt regelmässig für Komplimente (lacht). Zu Hause schlüpfe ich ohne Umwege in unsere Trainerhosen. Es gibt nichts Bequemeres.
WIE IST ES DAZU GEKOMMEN, DASS DU DEIN EIGENES LABEL GEGRÜNDET HAST?
Als ich noch Geschäftsführer im 3Sixty-Sportgeschäft in Schwyz war, kam eines Tages Patrick Hohmann, der Gründer der BioRe Stiftung und der Remei AG in unser Geschäft. Er wollte sich unser Konzept und den Laden anschauen. Das Ganze sollte anonym bleiben, aber ich habe ihn natürlich sofort erkannt und angesprochen. Damals interessierte ich mich bereits länger für nachhaltig produzierte Sportbekleidung, musste aber feststellen, dass das Angebot extrem beschränkt ist. Wir blieben in Kontakt und das Treffen damals war so was wie die Initialzündung. Ich entwickelte ein Konzept für WE ARE ZRCL mit Basics und Streetwear auf Basis von Bio-Baumwolle und entwarf das erste Herren-T-Shirt. Das war 2014. Im August 2015 gab es dann unser erstes T-Shirt aus bioRe-zertifizierter Baumwolle zu kaufen.
UND DAVOR, WAS WAR DEIN KINDHEITSTRAUM?
Als Kind wollte ich Bauer werden, weil ich auf dem Land aufgewachsen bin und es rundherum Bauernhöfe gab. So gesehen begleitet mich das Bewusstsein für die Produktion von Konsumgütern schon seit Kindertagen, auch wenn der Kindheitstraum dann doch schnell vorbei war. Später wollte ich unbedingt Sportartikelverkäufer werden. Doch die zwei, drei Lehrstellen, die es hier im Talkessel von Schwyz gab, waren sehr begehrt. Letztlich machte ich die Ausbildung als Detailhandelsangestellter im Elektrizitätswerk Schwyz. Danach habe ich gleich im Doodah angefangen, der später einer unserer grössten Abnehmer geworden ist.
WAS WAR BISHER DEINE GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG?
Auf jeden Fall der Schritt in die Selbstständigkeit. Ich musste einen Job aufgeben, den ich sehr gerne gemacht habe und ein grossartiges Team zurücklassen, das mir ans Herz gewachsen war. Zu sagen, ich setze auf ZRCL, war eine schwere Entscheidung, aber es war die richtige – auch, wenn ich am Anfang gratis arbeiten und Geld investieren musste. Aktuell ist meine grösste Herausforderung, dass ich lernen muss, als Chef Arbeiten zu planen und zu delegieren. Bis 2019 habe ich das Geschäft allein geführt. Aber jetzt mit sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bringen die neuen Strukturen auch neue Herausforderungen.
BIST DU AUCH SCHON MAL GESCHEITERT IM BUSINESS?
Irgendwie habe ich immer Glück. Wenn ich etwas anfange, kommt es gut (lacht). Aber klar, Fehler passieren. Am Anfang von WE ARE ZRCL habe ich für einen Auftrag nicht nochmals beim Kunden nachgefragt, ob das T-Shirt so ist, wie sie es sich vorstellen. Es wurde prompt falsch gedruckt und sie wollten es nicht zahlen, das war für mich ein grosser Verlust, nur, weil ich nicht mehr nachgefragt hatte. Da hatte ich mich auch selbst enttäuscht und es war sicher ein Lehrplatz.
WAS TREIBST DU EIGENTLICH, WENN DU NICHT GERADE EINE KOLLEKTION PLANST?
Hauptsächlich Outdoorsport. Snowboarden ist meine grosse Leidenschaft. Im Sommer steige ich aufs Bike oder wir gehen wandern. Daher kommt auch meine Naturverbundenheit. Als Kind ging ich mit der Familie im Tessin zelten oder wir machten SAC-Hütten Ausflüge. Nach der Lehre betrieb ich das Snowboarden auch einige Zeit professionell und hatte Sponsoren. Plötzlich hatte ich Kleider im Überfluss, ich war ja Werbeträger der Marken. Das habe ich damals schon kritisch hinterfragt. Aber abgesehen davon, hat das natürlich auch nicht zum Leben gereicht. Mal habe ich Maurerarbeiten gemacht oder auf der Autobahn Leitplanken montiert und so das Snowboarden finanziert.
DU BIST AUCH FAMILIENVATER: WIE SCHAFFST DU ES BERUF, FAMILIE UND HOBBY UNTER EINEN HUT?
Zum Glück hat meine Frau viele gleiche Hobbys wie ich und wir verbringen den grössten Teil unserer Freizeit gemeinsam als Familie. Neben den Wochenenden gönne ich mir ein zusätzlicher Tag pro Woche Papatag mit meinen zwei Söhnen. Fürs Geschäft könnte ich natürlich immer noch mehr machen und es ist eine Herausforderung, alles gut zu organisieren – auch weil alle Angestellten Teilzeit arbeiten. Bisher funktioniert es aber sehr gut, auch dank meines super Teams.
WENN DU EINEN WUNSCH HÄTTEST, WAS WÜRDEST DU DIR HERBEI SCHNIPSEN?
Ich würde mir wünschen, dass Nachhaltigkeit wirklich im grossen Stil umgesetzt wird. Kleine Player haben da Innovationskraft und die grossen übernehmen das. Firmen müssen Nachhaltigkeit ehrlich und konsequent umsetzen. Und ich finde, der Staat dürfte sicher mehr Regeln setzen. Sonst nutzt die Wirtschaft die Lücken aus und sucht sich den geringsten Widerstand mit dem grössten Gewinn. So ist die Realität. Ich hoffe, die Menschen werden sich künftig noch mehr informieren und den Massenkonsum hinterfragen. Klar leben auch wir vom Verkauf unserer Produkte, aber es geht um die Botschaft und darum, dass die Kundinnen und Kunden weniger und bewusster konsumieren.
WIE WILLST DU, WE ARE ZRCL WEITERENTWICKELN?
Das Wichtigste ist für mich, dass wir unseren Werten treu bleiben. Ich möchte die konsequente Nachhaltigkeit verbessern und weiterentwickeln. Wenn es möglich ist, nachhaltig zu wachsen, sage ich nicht nein. Bio-Baumwolle macht immer noch erst ein Prozent des Baumwollmarktes aus. Da ist noch viel Luft nach oben.
HAST DU NIE DARAN GEDACHT, DIE INNERSCHWEIZ UND DAS BESCHAULICHE SCHWYZ ZU VERLASSEN?
Doch, vereinzelt sicher. Ich habe mal in Arosa gelebt sowie kurz in Cham und einen Sommer in Saas Fee. Aber es hat mich immer zurück nach Schwyz gezogen. Hier sind meine Wurzeln, hier habe ich die Berge, den Wald und den See vor der Tür. Ich kann im Winter direkt auf die Piste, im Sommer im Wald biken und im See baden. Kommt hinzu, dass wir in Schwyz einen sehr zentralen Standort haben für unser Geschäft. Aber vielleicht machen wir in einigen Jahren doch noch einen Showroom in Zürich auf, wer weiss.
WORAUF BIST DU BESONDERS STOLZ?
Dass die Idee von 2014 mit dem nachhaltigen Konzept derart erfolgreich funktioniert, obwohl es bis vor wenigen Jahren kaum ein Thema war. Jetzt zu sehen, dass das Unternehmen mit hilfe meines super Teams tatsächlich so gut läuft, macht mich sehr stolz. Und dass sich so viele grossartige Menschen unserem Kreis anschliessen und somit Teil der Fashion Revolution sind.